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Châteauroux und Gütersloh wählen ihre kommunalen Parlamente

Gütersloh, Januar 2014: Im Jahr 2014 finden in NRW und in Frankreich Kommunalwahlen statt. Wir wählen unser kommunales Parlament im Mai, zusammen mit der Europawahl, die Bürger von Châteauroux am 23. und 30. März. In unserer Partnerstadt ist die Wahl schon ein Thema in den Medien und der Öffentlichkeit. Das liegt sicher daran, dass der derzeitige Bürgermeister, Jean-François Mayet, nicht wieder kandidiert. Egal, wie die Wahl ausgeht, der Posten des Bürgermeisters wird auf jeden Fall neu besetzt werden. Das französische Wahlsystem und die Methode der Stimmauszählung erhöhen die Spannung zusätzlich. Es gibt einige Unterschiede zwischen den Wahlsystemen zur Kommunalwahl in NRW und in Frankreich, die sich nicht nur auf den Wahlkampf sondern auch auf das Selbstverständnis der Ratsmitglieder und der Verwaltung auswirken. Wenn man die Wahl in Châteauroux verfolgen will, lohnt es sich, die Unterschiede einmal gegenüberzustellen.

Wer steht zur Wahl? Wir wählen im Mai die Mitglieder des Stadtrates und des Kreistages, aber der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin wird getrennt davon in direkter Wahl ermittelt, derzeit sogar noch zu einem anderen Zeitpunkt. In unserer französischen Partnerstadt stellen sich mehrere Bürgermeisterkandidaten zur Wahl, jeder mit einer Liste seiner Mannschaft. Die Bürger haben die Wahl zwischen den verschiedenen Listen, wobei die siegreiche Liste den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin stellt.

Die getrennten Wahlen von Rat und Bürgermeister haben in Gütersloh dazu geführt, dass wir derzeit eine Bürgermeisterin der SPD und eine Ratsmehrheit der CDU haben. „So etwas ist in Frankreich unvorstellbar” kommentiert Jean-Yves Hugon, Ratsherr in Châteauroux und verantwortlich für die Städtepartnerschaften, diese Situation. In Frankreich hat ein gewählter Bürgermeister im Stadtrat mit seiner Liste automatisch eine Mehrheit.

Wie wird gewählt? In NRW haben wir zwei Stimmen, eine für den Direktkandidaten im jeweiligen Wahlkreis, die zweite für die Liste einer Partei. In Châteauroux hat jeder Wähler nur eine Stimme. Damit entscheidet er sich für eine Liste. Wenn am ersten Wahltag, eine der Listen 50 % oder mehr der gültigen Stimmen bekommt, ist die Wahl beendet. Erreicht keine der Listen die absolute Mehrheit, wird eine Woche später noch einmal gewählt, wobei dann die einfache Mehrheit reicht.

Falls es zu einem zweiten Wahlgang kommt, können die Listen sich noch einmal neu gruppieren, also zusammenschließen. Dadurch können bei der ersten Wahl auch mehrere Listen aus demselben politischen Lager an den Start gehen. In Châteauroux hat sich der scheidende Bürgermeister klar für Gil Avérous als Kandidaten für seine Nachfolge ausgesprochen, es gibt aber einen zweiten Kandidaten, Arnaud Clément, aus derselben Partei. Im ersten Wahlgang werden die beiden gegeneinander antreten. Wenn keiner die absolute Mehrheit erreicht, werden sie sich wahrscheinlich zusammen schließen, um so als Partei den zweiten Wahlgang zu gewinnen. Dann müssen sie sich einigen, wer der gemeinsame Spitzenkandidat wird.

Wie wird die Sitzverteilung berechnet? In NRW wird die Hälfte der planmäßigen Ratssitze über Direktwahl in den Wahlbezirken vergeben, die andere Hälfte wird entsprechend den Stimmanteilen der Parteien verteilt. Falls eine Partei mehr Direktkandidaten in den Rat entsenden kann, als ihr nach der prozentualen Verteilung der Zweitstimmen zustehen würden, wird durch Überhangmandate dafür gesorgt, dass die endgültige Sitzverteilung der Verteilung der Stimmen auf die Parteien entspricht. In Gütersloh hat die CDU bei der letzten Kommunalwahl alle 22 Wahlkreise direkt gewonnen, aber insgesamt weniger als 50 % der Stimmen bekommen. Daher haben wir derzeit 58 Ratsmitglieder, obwohl vorab die Zahl der Sitze auf 44 begrenzt worden war.

In Châteauroux ist die Zahl der Sitze auf 33 festgelegt. Die Sitzverteilung erfolgt in zwei Stufen: Zuerst erhält die Liste mit den meisten Stimmen die Hälfte aller Sitze. Die zweite Hälfte wird nach den Stimmanteilen auf alle Listen verteilt, wobei auch die siegreiche Liste noch einmal bedacht wird. Damit hat der Sieger auf jeden Fall mehr die Hälfte aller Sitze, die Verhältnisse zwischen „Regierung” und „Opposition” sind also immer klar und stabil.

Welche Stellung hat der Bürgermeister / die Bürgermeisterin im Rat und der Verwaltung? Frau Unger ist hauptamtliche Verwaltungschefin und politische Bürgermeisterin. Sie ist die Vorsitzende des Stadtrates, hat auch Stimmrecht, ist aber formal kein Ratsmitglied. In der Verwaltung haben die Beigeordneten als Wahlbeamte eine starke Stellung.

In Frankreich gehört der Bürgermeister zum Rat, er wird ja vom Rat gewählt. Er ist die politische Vertretung der Stadt und automatisch auch Chef der Verwaltung. Die Leitung der Verwaltung und die Personalführung werden ausdrücklich als seine Aufgaben benannt. Außerdem hat er das Recht, Verwaltungsakte durchzuführen. Der Bürgermeister von Châteauroux kann z.B. Trauungen durchführen. In Gütersloh ist diese Aufgabe dem Standesbeamten zugeordnet. Unsere Bürgermeisterin darf dies nicht ohne weiteres übernehmen.

Beigeordnete wie bei uns gibt es in der französischen Kommune nicht. Die Aufgaben werden teilweise von den – politisch gewählten – stellvertretenden Bürgermeistern übernommen.

Welche Funktion haben die stellvertretenden Bürgermeister? Frau Unger hat zwei Stellvertreter aus dem Rat für ihre Aufgaben als Vorsitzende des Rates und die Repräsentation. Als Chefin der Verwaltung wird sie von einer Beigeordneten vertreten. In Châteauroux gibt es 11 stellvertretende Bürgermeister. Sie gehören dem Rat an und werden von diesem gewählt. Sie sind nicht nur generell Vertreter des Bürgermeisters sondern jeweils für einen bestimmten Bereich zuständig. „Man könnte unsere Stellung mit der von Ministern in einer Landesregierung vergleichen”, beschreibt Jean-Yves Hugon die Situation. Er selbst ist zuständig für Sport und internationale Beziehungen und damit auch für Städtepartnerschaften.

Wer darf wählen? Bei uns kann man mit 16 Jahren an den Kommunalwahlen teilnehmen, in Frankreich liegt die Grenze bei 18 Jahren. Außerdem muss man sich in Frankreich aktiv in eine Wählerliste einschreiben lassen. In Deutschland ist das nicht erforderlich, da die Wählerverzeichnisse von den Einwohnermeldeämtern zusammengestellt werden. In Frankreich gibt es aber keine Meldepflicht und daher auch keine Einwohnerverzeichnisse.

So verschieden die Wahlsysteme in NRW und Frankreich auch aussehen, beide zielen in die gleiche Richtung. In beiden Ländern soll den Bürgern die Möglichkeit gegeben werden, für die Führung einer Kommune eher eine Persönlichkeit zu wählen als eine Partei. Bei uns wird dies durch die direkte Wahl der Bürgermeister realisiert, in Frankreich durch die stark auf die Spitzenkandidaten orientierten Listen.

Man kann lange diskutieren welches System besser geeignet ist, den Wählerwillen umzusetzen und funktionsfähige Gremien zu bekommen. Eine starke Mehrheit, wie sie in Frankreich durch die Verteilung der Sitze erzwungen wird, kann als besser bewertet werden, um schwierige und unpopuläre Projekte in Angriff zu nehmen. Andererseits gibt es die Ansicht, dass knappe Mehrheiten, wie sie unser System eher hervorbringt, eine sachbezogene Argumentation fördern. Auf jeden Fall ist in Frankreich der Wahlkampf deutlich spannender, denn die Listen für den ersten Wahlgang können Themen zustimmen und auf den Punkt bringen. Zudem können schon geringe Unterschiede in den Stimmanteilen bei der Sitzverteilung zu einer deutlichen Mehrheit führen.

In Châteauroux haben schon mehrere Bewerber ihre Programme und Listen vorgestellt. Sie heißen „Leben in Châteauroux”, „Châteauroux anders” und „Zusammen für Châteauroux”, sind also sehr stark auf kommunale Themen ausgelegt.

Ich bin gespannt, wie der Wahlkampf sich entwickelt und wie die Wahl ausgeht.

Wolfgang Hellmeier

http://www.ville-chateauroux.fr

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